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Florian Herzog: CD-Release „Almost Natural“

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Ein Irrgarten ist ein Ort, an dem man sich verliert, ein Labyrinth hingegen ein Platz, an dem man sich findet. Der Kölner Bassist Florian Herzog durchbricht auf seinem Album Almost Natural die schmale Trennwand zwischen Labyrinth und Irrgarten und schafft ein Refugium, an dem sich nicht nur er und seine Mitmusiker, sondern auch die Hörerinnen und Hörer der Platte gleichzeitig finden und verlieren können.

Grundsätzlich lebt Almost Natural von brillant ausbalancierten Gegensätzen. Das Hyperaktive begegnet dem Entspannten, das Verbindliche dem Unverbindlichen ...
Ein Irrgarten ist ein Ort, an dem man sich verliert, ein Labyrinth hingegen ein Platz, an dem man sich findet. Der Kölner Bassist Florian Herzog durchbricht auf seinem Album Almost Natural die schmale Trennwand zwischen Labyrinth und Irrgarten und schafft ein Refugium, an dem sich nicht nur er und seine Mitmusiker, sondern auch die Hörerinnen und Hörer der Platte gleichzeitig finden und verlieren können.

Grundsätzlich lebt Almost Natural von brillant ausbalancierten Gegensätzen. Das Hyperaktive begegnet dem Entspannten, das Verbindliche dem Unverbindlichen, das Synthetische dem Organischen, das Abstrakte dem Zugänglichen, das in sich Gebrochene dem kontinuierlich Fließenden, das Groovige dem Avantgardistischen. Herzog lotet alle Ecken und Winkel seiner musikalischen Persönlichkeit aus, ohne jemals das Epizentrum aus dem Blick zu verlieren. Er scheut sich nicht vor Extremen, die sich aber immer über das gemeinsame Zentrum definieren. „Wenn ich schreibe, setze ich immer auf diese Kontraste“, hält der Bassist fest. „Die freie Improvisation ist mir ungeheuer wichtig. Bei aller Abstraktion suche ich aber auch stets nach einem Kern, der die Musik zugänglich macht. Das kann eine Melodie oder ein Groove sein, der ein Kopfnicken auslöst, auch wenn man bei Hören vielleicht gar nicht hundertprozentig nachvollziehen muss, was da wirklich passiert. Bei der Setlist des Albums genauso wie beim Ablauf eines Live-Konzerts weiß ich, dass man nach fünf Minuten Chaos erstmal wieder ein paar Melodien oder Akkorde zum Entspannen braucht. Im Großen wie im Kleinen.“

Mit voller Absicht führt Herzog das Ohr schon in den ersten beiden Tracks in die Irre. Der Opener Listening Integrity ist ein Feuerwerk an Abstraktion und Wildheit, während der zweite Song Advanced Computer Music sanft an die Klangästhetik von Fusion Jazz erinnert, ohne es an struktureller Komplexität mangeln zu lassen. Auch in der Folge macht Herzog äußerst vielfältige Angebote, als würde man über einen Archipel von Inseln mit ganz verschiedenen klimatischen Bedingungen, geologischen Formationen und Besiedlungsdichten fliegen. Und doch gehören all diese Eilande zu ein und derselben Inselgruppe. Herzog hat diese beiden Songs, die gegensätzlicher kaum sein könnten, bewusst an den Anfang des Albums gesetzt, um nicht nur das Spektrum der Songs abzustecken, sondern durch den positiven Schock des ästhetischen Systemwechsels beim Hören auch einen Höchstgrad an Aufmerksamkeit zu generieren.

Vieles klingt hier nach im ersten Augenblick Free Jazz, doch Herzog behält viel zu viel Kontrolle über den musikalischen Gesamtprozess, als dass es wirklich genuiner Free Jazz wäre. Mit seinen Kollegen Elias Stemeseder an Klavier und Synthesizer, Sebastian Gille am Saxofon und Leif Berger am Schlagzeug hat der Bassist drei Mitstreiter, mit denen er nicht nur jeden erdenklichen Spielgrund ausschreiten kann, sondern die sich auch – um beim oben genannten Bild zu bleiben – in jeder Situation individuell und kollektiv komplett verlieren können, um sich genauso schnell und intuitiv wiederzufinden. Womit ein weiterer sich bedingender Gegensatz gefunden wäre: der permanente Dualismus zwischen Festhalten und Loslassen. Mit seinen drei Mitspielern verbindet Herzog eine Symbiose, die sich am besten mit dem Albumtitel almost natural beschreiben lässt. In blindem Einverständnis preschen sie gemeinsam los, fangen sich gegenseitig auf, durchdringen einander, grenzen sich zuweilen auch voneinander ab, um die miteinander geschaffenen Demarkationslinien sogleich wieder aufzulösen. Im kollektiven Spiel verlagert sich das Impulszentrum unentwegt. Am längsten kennt Florian Herzog Drummer Leif Berger. Die beiden Kölner bilden seit ungefähr zehn Jahren in den unterschiedlichsten Formationen eine stabile Rhythmuseinheit. Herzog betont, dass sie in diesem Zeitraum nebeneinander und miteinander gewachsen sind, ohne dass Einer von beiden je in einer Band des jeweils Anderen gespielt hätte. Mit „Almost Natural“ geht somit ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung. Den österreichischen Tastenmann Elias Stemeseder lernte Herzog in New York kennen. Die beiden Musiker waren Nachbarn und ließen keine Gelegenheit aus, miteinander zu spielen. Wie Berger zeichnet sich auch Stemeseder durch eine schier grenzenlose intuitive Flexibilität aus, die ihn nicht nur spontan auf jeden Kontext reagieren, sondern auch stets in Vorleistung gehen und gestalten lässt. Seine Sounds sind speziell auf dem Synthesizer, den er im Ursprung des Wortes zur expliziten Klang-Synthese benutzt, nicht zuletzt das Bindemittel, das die Intentionen der drei Anderen zusammenhält. Die Partnerschaft mit dem für seine Husarenritte bekannten Saxofonisten Sebastian Gille verdichtete sich während der Corona-Zeit. Man traf sich regelmäßig gemeinsam mit Leif Berger und begann die Grundlage für die Stücke zu legen, die jetzt auf „Almost Natural“ vollendet wurden. Herzog selbst agiert hier nicht nur als Bassist und Komponist, sondern auch als Post Producer, der nach den Echtzeit- Sessions mit viel Fingerspitzengefühl Hand anlegte und den Songs ihren endgültigen Schliff verlieh.

In den speziellen Qualitäten dieser Besetzung bringt Florian Herzog den Mut zu einer Entscheidung auf, die man im Jazz ebenso selten antrifft wie in allen anderen Musikrichtungen. Das Quartett definiert sich weniger über seine gemeinsame Schnittmenge als über die individuellen Gegensätze seiner Mitspieler. Daraus resultiert eine geradezu explosive Spannung, ganz egal, ob es sich um die dynamischeren Parts oder die ruhigeren Phasen handelt. Aus der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Positionen heraus können sich die vier Musiker in jedem Stück neu begegnen. Die Interferenzen des Zugangs und der Auffassungen ermöglichen einen Mehrwert, der weit über das von der Besetzung Saxofon-Tasten-Bass-Schlagzeug Erwartbare hinausgeht. Die übliche Rollenverteilung wird konsequent aufgebrochen und die Anteile neu und stets überraschend montiert.

Die Dramaturgie von „Almost Natural“ lässt sich am besten mit dem Songtitel „Misleading Energy“ beschreiben. Es ist wie ein aktiver Vulkan, dessen Kamine hier und da aufbrechen und kochende Lava in die Umgebung spucken, auf dessen fruchtbaren Hängen es aber ansonsten grünt und blüht. Zuverlässige Unvorhersehbarkeit – das ist es, was dieses Album vor allem anderen auszeichnet.



Informationen zu den Preisen, Karten-Reservierungen und den Öffnungszeiten hier:
www.loftkoeln.de/de/karten/


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A maze is a place where you get lost, while a labyrinth is a place where you find yourself. On his album Almost Natural, Cologne bassist Florian Herzog breaks through the narrow dividing wall between labyrinth and maze and creates a refuge where not only he and his fellow musicians, but also the listeners of the record can find and lose themselves at the same time.

Basically Almost Natural lives from brilliantly balanced contrasts. The hyperactive meets the relaxed, the binding meets the non-committal, the synthetic meets the organic, the abstract meets the accessible, the broken meets the continuously flowing, the groovy meets the avant-garde. Herzog explores all the nooks and crannies of his musical personality without ever losing sight of the epicenter. He is not afraid of extremes, but they are always defined by the common center. „When I write, I always go for these contrasts,“ the bassist holds. „Free improvisation is tremendously important to me. But for all the abstraction, I’m always looking for a core that makes the music accessible. That can be a melody or a groove that triggers a nod of the head, even if you might not have to understand one hundred percent what’s really going on when you listen to it. With the setlist of the album just as with the course of a live concert, I know that after five minutes of chaos you first need a few melodies or chords to relax. On a large scale and on a small scale.“

With full intention, Herzog misleads the ear already in the first two tracks. The opener Listening Integrity is a firework of abstraction and ferocity, while the second song Advanced Computer Music gently recalls the sonic aesthetic of fusion jazz without lacking structural complexity. Herzog continues to make extremely diverse offerings as if flying over an archipelago of islands with vastly different climatic conditions, geological formations and densities of population. And yet all these islets belong to one and the same group of islands. Herzog has deliberately placed these two songs, which could hardly be more opposite, at the beginning of the album, not only to delineate the spectrum of the songs, but also to generate a maximum level of attention through the positive shock of the aesthetic system change while listening.

Much sounds here like free jazz at first, but Herzog retains far too much control over the overall musical process for it to be truly genuine free jazz. With his colleagues Elias Stemeseder on piano and synthesizer, Sebastian Gille on saxophone and Leif Berger on drums, the bassist has three comrades-in-arms with whom he can not only explore every conceivable playing ground, but who can also – to stay with the above image – completely lose themselves individually and collectively in any situation, only to find themselves again just as quickly and intuitively. Which brings us to another contradiction: the permanent dualism between holding on and letting go. Herzog and his three fellow players share a symbiosis that can best be described by the album title almost natural. In blind agreement they rush off together, catch each other, penetrate each other, sometimes also separate themselves from each other, in order to immediately dissolve the demarcation lines they have created together. In the collective game, the center of impulse is constantly shifting. Florian Herzog has known drummer Leif Berger for the longest time. The two Cologne natives have formed a stable rhythm unit in a wide variety of formations for about ten years. Herzog emphasizes that they have grown alongside and with each other during this period, without either of them ever having played in the other’s band. Thus, with „Almost Natural,“ a long-held wish comes true. Herzog met the Austrian keyboardist Elias Stemeseder in New York. The two musicians were neighbors and never missed an opportunity to play together. Like Berger, Stemeseder is characterized by an almost limitless intuitive flexibility that allows him not only to react spontaneously to any context, but also to always anticipate and create. His sounds, especially on the synthesizer he uses in the origin of the word for explicit sound synthesis, are not least the binding agent that holds together the intentions of the three others. The partnership with saxophonist Sebastian Gille, known for his hussar rides, solidified during the Corona period. They met regularly together with Leif Berger and began to lay the foundation for the pieces that have now been completed on „Almost Natural“. Herzog himself acts here not only as a bassist and composer, but also as a post producer, who after the real-time sessions with a lot of tact lent a hand and gave the songs their final polish.

In the special qualities of this instrumentation, Florian Herzog summons the courage to make a decision that one encounters as rarely in jazz as in all other musical genres. The quartet defines itself less by its common intersection than by the individual contrasts of its fellow players. This results in an almost explosive tension, regardless of whether it is the more dynamic parts or the quieter phases. The four musicians can encounter each other anew in each piece from the difference of their respective positions. The interferences of access and perceptions allow an added value that goes far beyond what can be expected from the line-up saxophone-keys-bass-drums. The usual distribution of roles is consistently broken up and the parts are assembled in a new and always surprising way.

The dramaturgy of „Almost Natural“ is best described by the song title „Misleading Energy“. It is like an active volcano, whose chimneys break open here and there and spew boiling lava into the surrounding area, but on whose fertile slopes it is otherwise green and blooming. Reliable unpredictability – that’s what distinguishes this album above all others.


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  • Saxophon
    Sebastian Gille
  • Piano & Synthesizer
  • Bass
    Florian Herzog
  • Schlagzeug
    Leif Berger

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